Gewerbemuseum Winterthur

Times of Waste – Was übrig bleibt

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Begleittexte zur Ausstellung im Gewerbemuseum Winterthur 21.9.2018–17.3.2019.

Diese Ausstellung ist ein Ausschnitt aus dem Projekt Times of Waste, das behauptet, dass wir in der Zeit des Abfalls leben. Im Abfall müssen wir uns einrichten, mit ihm leben, nicht gegen ihn. Die Zeiten der Verdrängung sind vorbei.

Die ausgestellten Materialien sind der Versuch, in Form von Assemblagen, das heisst mit einem fragmenthaft zusammengesetzten Archiv aus Resten und Teilen, mit Bildern, Erzählungen und Tönen assoziativ und nahe am Stofflichen an den Abfall heranzuführen, den ein Smartphone hinterlässt. Das Thema franst in alle Richtungen aus, macht millionenalte Zeit- und Raumdimensionen auf und bricht manchmal ab.

Times of Waste handelt von Bewegungen und ist in Bewegung. Es ist ein work in progress, das zum Progress, zu einem Denken des Fortschreitens auffordert. Es geht um einen Fortschritt der anderen Art, in dem ökologisches, soziales und mentales Handeln gleichermassen Platz haben.

Die projizierten Karten zeigen, dass es Gleichzeitigkeiten gibt, dass sowohl riesige als auch kleinräumige Distanzen zurückgelegt werden, und dass einige Wege offen bleiben. Dort erhielten wir keine Informationen. Vieles erscheint kleinteilig, unübersichtlich, undurchsichtig und global – auf viele Wege, Infrastrukturen und Akteur_innen verteilt.

Doch im Mannigfaltigen und Verflochtenen liegen auch Möglichkeiten. Handlungsoptionen, die die eine globale Lösung verwerfen. Handlungsoptionen, die das Kleinräumige und Kleinteilige nutzen, die wachsen, sich verteilen, andere infizieren.

Gemäss der Philosophin Isabelle Stengers ist das Stellen von unbequemen Fragen an die jeweiligen Verantwortlichen (Konzernverantwortliche, Manager, Regierungsmitglieder usw.) einer der ersten Schritte, die getan werden müssen, um die Behauptungen, dass alles unter Kontrolle sei, in Frage zu stellen. In diesem Sinne verfolgten wir Fragen wie:

Wo geht das hin, was jeweils übrig bleibt? Wer bezahlt die «Kosten»? Und wollen wir endlosen Konsum durch perfektes Recycling?

Trotz vielversprechender Innovationen und leidlich guter Möglichkeiten gibt es bis heute keine wirklichen Lösungen für die enormen Mengen an permanent anfallendem e-Waste. Es gibt keine End-Lösung. Ab-Fall erledigt sich nicht. Er fällt immer wieder neu ab – auch das ist ein work in progress.

Beim Smartphone fällt der grösste Abfall nicht nach, sondern vor Gebrauch an. Das Neodymoxid, das hier exemplarisch ausgewählt wurde, ist ein wichtiger Stoff für die Herstellung der Lautsprecher, des Mikrophons und des Vibrators im Smartphone.

Neodym-Magnete sind auch wichtige Bestandteile für moderne Windturbinen oder die Batterien von Elektroautos.

Dieses Pulver hat Abfälle generiert, die denen, die hier ausgelegt sind, in nichts nachstehen.
An Alternativen zum Neodym wird geforscht. Aber auch diese «Alternativen» werden ihre Abfälle und unvorhergesehenen Effekte generieren.

Times of Waste, die Zeiten des Abfalls, sind Zeiten des Anthropozän, einem Zeitalter, in dem sich die Spuren des Menschen geologisch niederschlagen. Der Begriff wurde 2000 eingeführt und ist unter anderem deswegen umstritten, weil er in seiner unkritischen Anwendung dem Menschen eine umfassende Rolle im Erdgeschehen beimisst, eine lähmende Krisenstimmung verbreitet und suggeriert, dass die menschgemachten Probleme nur mit technischen Mitteln gelöst werden können.

Aus der kritischen Perspektive der hier versammelten Materialien – von denen uns die meisten überleben werden – ist der Anthropozän-Begriff aber auch brauchbar. Er macht deutlich, dass «die Natur» das Material für die Technologie liefert. Das heisst: Ein Smartphone ist eine Anhäufung von Gestein, das nach seinem Gebrauch eine weitere Anhäufung von Gestein zurücklässt – und dazwischen wird die kurze Zeit des technoliebenden Menschen gewesen sein, der sich anmasste, ohne Rücksicht auf Verluste die Gesteine zu meistern.

Der Abfallsektor ist ein wachsender und innovativer Sektor im Bereich der grünen Ökonomie und Industrie. Diese versucht, mit den Mitteln der kapitalistischen Marktwirtschaft deren Auswüchse – Ausbeutung von Rohstoffen und Hinterlassen giftiger Abfälle – zu zähmen: Abfälle werden zu Rohstoffen, mit denen sich spätestens dann, wenn eine Rohstoffverknappung und somit Verteuerung eintritt, Gewinn erwirtschaften lässt.

Dafür werden nicht nur neue Recycling-Methoden, sondern auch neue Businessmodelle entwickelt: Z.B. zirkuläre Ökonomien, bei der die Produzent_innen ins Recycling miteinbezogen werden, und Leasing-Modelle statt Eigentumsverhältnisse, die kontrollierte Rücknahmen ausgedienter Geräte ermöglichen.

Die Schweiz hat eines der besten Abfallsysteme der Welt. Doch von einem gefüllten Kehrichtsack bleibt nach der Verbrennung immer noch fast ein Viertel übrig. Davon ist rund 4 % sehr giftig und wird in nationalen oder internationalen Untertage-Deponien gelagert: Das sind der quecksilberhaltige Elektro-Filterstaub, der in den Rauchgasanlagen anfällt, sowie der Filterkuchen, der in den Abwasserfiltern der Anlage zurückbleibt.

Der Rest ist Schlacke (19 %). Sie ist nicht direkt gefährlich, enthält aber giftige Schwermetalle, insbesondere Blei, Kupfer und Zink in ansehnlichen Mengen. Diese können durch sauren Regen mobilisiert werden. Die Deponien sind deswegen mit Sickerleitungen gesichert. Sie gehen in die Kläranlagen, die Schwermetalle bleiben im Klärschlamm, dann in seiner verbrannten Asche zurück. Diese wird gelagert.
In Deponien mit modernsten Entschrottungs-Anlagen holt man die meisten Metalle jedoch heraus, das sind circa 10 % der Schlacke. 2 % davon sind Nicht-Eisenmetalle, die Bestandteile von Handys, die im Hauskehricht entsorgt wurden, enthalten können. Die Metallsalze bleiben dagegen in der gelagerten Schlacke zurück.

Mit neusten Aufbereitungsanlagen, wie sie in der Deponie DHZ Lufingen installiert sind, werden Nichteisenmetalle wie Aluminium und Schwermetall-Mischungen (Kupfer, Zink, Blei, Gold, Silber) veredelt und danach direkt an Schmelzwerke wie Umicore oder Aurubis verkauft. Schlacken sind Business: Da sie etwa die gleiche Kupferkonzentration wie Kupfererz aus einer Mine in der Demokratischen Republik Kongo aufweisen, werden sie als «Urban Mining-Eldorado» betrachtet.
In Holland und Belgien wird die kontaminierte Schlacke in der Baubranche eingesetzt.

Schweizer_innen produzieren 720 kg Haushaltabfall pro Person (BAfU 2017) und rangieren damit auf Platz zwei hinter Dänemark. Im Gegensatz zur EU ist die Abfallmenge in der Schweiz steigend.

In der Kehrichtverwertungsanlage Basel kommen gegen 8’000 Tonnen Giftmüll pro Jahr aus dem alltäglichen Kehricht zusammen, der in Sondermülldeponien gelagert werden muss.

Pro Person fallen in der Schweiz jährlich rund 22 kg e-Waste an: Das waren 2016 rund 184’000 Tonnen, Tendenz in der Stückzahl steigend, auch wegen der Mobilgeräte (Swico 2017). Auch beim e-Waste rangieren die Schweizer_innen weltweit auf dem achten Platz (Global e-Waste Monitor 2017).

Abfall ist das Vermischte, das Undifferenzierte. Entwertung geschieht durch Vermischung: Was vermischt ist, ist nicht spezifisch, tendiert zur Wertlosigkeit. Beim Abfall wird alles ähnlich. Graubraune Indifferenz. Deswegen erscheint Schreddern als primitiv. Es wirft alles zusammen. In der Schweiz ist es zu teuer, die Magnete und andere Materialien vorher von Hand herauszunehmen. Maschinelle Materialsortierungen erfolgen, wo möglich, nachträglich.

Rohstoffe für Hochleistungsgeräte müssen rein sein. Das macht Abfall und dessen Recycling unattraktiv. Die meisten Materialien verlieren an Qualität, oder: Die wertvollen Materialien sind in der Minderheit. Doch beim Rohstoffabbau ist das genauso.
Recycling ist Downcycling. Auch wenn gewisse Transformationen strategisch Upcycling genannt werden. Denn wir leben in Zeiten des Abfalls.
Rohstoffabbau ist Abfallproduktion. So gesehen ist ein neues Smartphone immer schon Abfall.

In einem Handy sind ca. 0.4 g Neodym verbaut (Lautsprecher, Vibrator, Mikrophon), die Quellenangaben variieren. Wie gross die Konzentration in den chinesischen Minen ist, wo der grösste Teil des Abbaus stattfindet, wird von der Volksrepublik China nicht preisgegeben.
Bei der Gewinnung von Neodym ist nicht in erster Linie die geringe gewonnene Menge aus grossen Mengen Gestein das grösste Problem (wie beim Gold), sondern Radioaktivität und Säureeinsatz. In China fehlen zum Teil die elementarsten Sicherheitsvorkehrungen für den Arbeitsschutz. Stäube gelangen in die Lungen der Arbeiter_innen und auf die umliegenden Felder. Ein weiteres Problem sind Tailings, Abfall-Schlammseen, die sich kilometerlang um die Minen und Siedlungsbereiche von Baotou erstrecken. Was mit diesem radioaktiv belasteten Material geschehen soll und ob der Wasserabfluss aus diesen Seen zumindest ansatzweise gereinigt wird, ist unklar.

Die Recycling-Rate der Metalle variiert beim Smartphone von 0 % bis über 50 %. Gewisse seltene Metalle wie Indium könnte man recyclen, doch es ist billiger, sie unter prekärsten ökologischen und sozialen Bedingungen abzubauen, Indium fällt gewissermassen «sowieso» als Beiprodukt bei der Zinkproduktion ab. Bei der Seltenen Erde Neodym ist man nicht über Laborversuche hinausgekommen, ein industrielles Recycling lohnt sich finanziell noch nicht. Deswegen wird auch der Magnet beim Zerlegen nicht herausgenommen. Die durchschnittliche Rate von Goldrecycling liegt bei 15-50%. Wenn man moderne Recycling-Verfahren anwendet, lässt sich das praktisch verlustfrei durchführen.

1 Handy enthält 20-25 mg Gold, abhängig von Modell und Baujahr, für dessen Gewinnung benötigt man 8.75 kg Gestein.
Mit 40-50 Handys lässt sich 1 g Gold gewinnen.
Für den 1 kg schweren Umicore Goldbarren auf der Metallplatte benötigt man 40’000 – 50’000 alte Handys.

Das Forschungsteam von Andreas Kappler, Geomikrobiologie der Universität Tübingen, arbeitet an Extraktionsverfahren von Metallen aus Schlacke, die bei der Kehrichtverbrennung übrig bleibt. Für diese Verfahren experimentieren sie mit Mikroorganismen aus dem durch den Bergbau übersäuerten Rio Tinto in Spanien und aus einem kupferhaltigen Minengebiet in China. Die Fähigkeiten der Mikroorganismen, Metalle zu lösen respektive zu sammeln, konnten auf Laborstufe erfolgreich für die Säuberung von Schlacken eingesetzt werden. Dasselbe Prinzip soll zukünftig auch für das Recycling von Seltenen Erden und anderen Metallen verwendet werden. Bedingt durch die tiefen Rohstoffpreise wurde das Verfahren bisher jedoch noch nicht in grösserem Stil industriell umgesetzt, wie es die Tübinger Firma Novis GmbH in Zusammenarbeit mit der Universität geplant hatte.

«Der Handygebrauchtmarkt lässt sich mit dem Auto-Occasionsmarkt vergleichen: Nachdem der Markt gesättigt war, begann der Occasionshandel. Diese Situation ist in den westlichen Ländern eingetroffen. Doch in der Schweiz ist der Rücklauf noch gering.» RS Switzerland

Wie verläuft der Gebrauchthandymarkt in der Schweiz?
In der Schweiz wickeln Firmen wie verkaufen.ch, RS Switzerland oder Revendo den Gebrauchthandymarkt ab. verkaufen.ch arbeitet u.a. mit Sunrise und der Post, RS Switzerland u.a. mit Swisscom, die auch mit M-Budget zusammenarbeitet. RS Switzerland  bietet die Gebrauchthandys über die M-Budget-Website an, verkaufen.ch über ihre eigene.

Nach dem Ankauf werden die Geräte geprüft, die Daten gelöscht und überschrieben. Geräte in gutem Zustand werden in der Schweiz verkauft; Geräte in einem weniger guten Zustand gehen an Reparaturshops oder an Zwischenhändler_innen aus Europa und Afrika. Kaputte Geräte gehen an einen Swico-Recyclingpartner wie die Immark und werden standardmässig recycliert. Swico Recycling ist ein nationales Rücknahmesystem ausrangierter Elektrogeräte, das mittels der vorgezogenen Recyclinggebühr, die die Endkund_innen bezahlen, die Geräte recyceln lässt.

verkaufen.ch überprüft die Geräte inhouse und kann deswegen auch einen Reparaturdienst für defekte Smartphones anbieten, RS Switzerland arbeitet mit Réalise zusammen, einem sozialen Unternehmen. Sie lassen jedoch keine Reparaturen in der Schweiz durchführen, sondern transportieren dazu die Geräte zum Mutterkonzern nach Frankreich.

Den Ausland-Handel übernehmen bei allen verschiedene Zwischenhändler_innen, zu denen ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wurde. Die meisten Händler_innen stammen aus den Ländern, in die sie exportieren. Ein wichtiger Verkaufsort in Afrika sind die Märkte. Auch Helvetrade SA, eine Firma, deren Erlös zu einem grossen Teil an Terre des Hommes geht, arbeitet so. Helvetrade SA lieferte vor 5-6 Jahren viele Geräte nach Pakistan und Hongkong, von dort gingen sie in die einkommensschwachen Regionen von China. Mittlerweile sind Hongkong und Pakistan durch afrikanische Länder ersetzt worden. So bilden sich vielfach gebrochene Routen und Ökonomien.

Der Gebrauchthandymarkt ist ein aufstrebender Markt. Er spricht Leute an, die nicht immer das Neueste besitzen wollen oder die von einem kleinen Budget leben müssen. Er profitiert von der Wachstumsideologie, denn nur der schnelle Durchlauf garantiert Gerätenachschub. «Grossen Firmen, wie z.B. Samsung, nützt der Occasionsmarkt und sie unterstützen ihn nach Möglichkeit. Denn so werden die Leute auf ihre Geräte ‹angefixt› und werden sich später, wenn sie besser verdienen, vielleicht ein Neugerät der gleichen Marke kaufen. Kleine Firmen wie wir sind die Türöffner der grossen Firmen». verkaufen.ch

Firmen wie Samsung oder Apple steigen nicht aus ökologischen Gründen ins Secondhand-Geschäft ein, sondern um im sich verändernden Markt mitzumachen.
Im Umgang mit dem Smartphone sind Alternativen schwierig. Es ist ein verleimter Minicomputer, dessen Reparierbarkeit und Recyclierbarkeit schwierig ist.

Dennoch kann man rund 15 Komponenten des Smartphones reparieren. Am besten schneidet das Fairphone ab, da seine Komponenten auswechselbar konzipiert sind.

Die Lebensdauer eines Smartphones von 5-6 Jahren im Gegensatz zum durchschnittlichen Erstgebrauch von 12-24 Monaten ist nicht schlecht, insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass die Kleinheit des Geräts wenig elektronischen Abfall zurücklässt.

Obwohl das Smartphone als Durchlaufprodukt konzipiert ist, kann man es individuell also durchaus «ein bisschen» anders benutzen. Darin liegen Möglichkeiten, die das Smartphone trotz allem auch für die immer wichtiger werdenden, kollektiv gelebten DiY-Kulturen des Reparierens interessant machen. In diesen DiY-Kulturen werden die gemeinsamen Tätigkeiten des Flickens als Formen einer «Postwachstumsgesellschaft» verstanden, die auf spielerische und unasketische Weise das Leben im Überfluss relativieren.

In einem Schweizer Hochsicherheitszollfreilager in der Nähe des Flughafens Zürich lagert die Schweizerische Metallhandels AG Deutschland strategische Metalle als Wertanlagen. Bei (Finanz-)Krisen werden sie hier vor dem deutschen Staat vor Enteignung geschützt. Metalle wie Indium, Hafnium oder Gallium weisen eine vergleichsweise geringe Jahresproduktion auf. Ihre Preise werden auf Rohstoffbörsen bestimmt, bei Verknappung steigen sie. Durch die oft unwiederbringliche Implementierung dieser seltenen Metalle in Hightech-Produkte rechnen die Kund_innen mit steigenden Preisen ihrer Wertanlagen. Umgekehrt arbeiten Forschungslabors intensiv an der Rückgewinnung von seltenen Metallen wie Indium, um einerseits möglichen zukünftigen Engpässen vorzubeugen, und um andererseits die Abbaumengen dieser unter gesundheitsschädigenden und ökologisch problematischen Bedingungen gewonnenen Rohstoffe zu reduzieren.

Preisexplosion Seltene Erden

Im Jahr 2010 stiegen die Preise für Seltene Erden (SEE) kurzzeitig auf ein Vielfaches des Ausgangsniveaus. Grund für die Preisexplosion: Die Volksrepublik China, damals Produzent von 98 % des Weltbedarfs an SEE, verhängte Exportbeschränkungen. Als Folge entstanden neue Bergbauprojekte rund um den Globus (Kalifornien, Australien, Grönland, diverse afrikanische Staaten) und es wurden Millionenbeträge in die Substitution von SEE (u.a. Fraunhofer Institute Deutschland) oder in Effizienzsteigerungen z.B. bei der Magnetfertigung (Japan) gesteckt. Diese Massnahmen drückten die Preise und der chinesische Marktanteil sank auf 90 % der Weltproduktion.
Auslöser für die Exportbeschränkungen war der Streit zwischen China und Japan um die Senkaku-Inseln nordöstlich von Taiwan. Um die japanische Elektronikindustrie zu treffen, welche die FeNdB-Magnete erfunden hat und wertvolle Patente in diesem Sektor besitzt, stoppte China die Ausfuhr von SEE. Die nachfolgende Preisexplosion betraf praktisch alle Industrienationen und machte die Abhängigkeit von High Tech-Produzenten gegenüber China sichtbar.

Das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung trat 1989 in Kraft. Es ist ein Umweltabkommen, das den Export gefährlicher Abfälle reguliert.

Nach dem Basler Übereinkommen dürfen Abfälle wie e-Waste nur dann aus Ländern des «Globalen Nordens» in Länder des «Globalen Südens» verbracht werden und umgekehrt, wenn diese Parteistaaten des Abkommens sind. Damit gelten die Regeln des Übereinkommens, das heisst, es muss dort «Stand der Technik»-Recycling-Anlagen geben. Für die Verbringung der Abfälle ist die Zustimmung des importierenden und des exportierenden Landes sowie aller Transitländer notwendig. Diese Einwilligung und Abwicklung geschieht mit einem Notifizierungsverfahren.

Kurz gesagt, das Basler Übereinkommen verbietet den Export von e-Waste in Länder des «Globalen Südens».

Die Schweiz hat das Abkommen 1990 unterzeichnet. Gegen 170 Staaten sind Mitglieder, auch China. Die USA, die gemäss Wikipedia 80 % ihres gefährlichen Abfalls ins Ausland abschieben, haben es nie ratifiziert; somit gelten für sie diese Regelungen nicht.

Welche Handlungsoptionen haben Regierungen?
Das e-Waste-Problem rückt immer stärker in den Fokus der Politik. Weltweit wird an verschiedenen Stellen angesetzt:

Die Schweizer Konzernverantwortungsinitiative fordert, dass in der Schweiz domizilierte Unternehmen international anerkannte Menschenrechte und Umweltstandards auch in ihrer Auslandtätigkeit einhalten; sie haften für Verfehlungen ihrer Tochterfirmen und der von ihnen kontrollierten Unternehmen. Das betrifft auch die Rohstoffgewinnung für Elektronikprodukte, z.B. den Bergbaukonzern Glencore mit Sitz in Zug.

Eine Gesetzesinitiative von Bündnis 90/Die Grünen in Deutschland fordert gesetzliche Massnahmen gegen die geplante Obsoleszenz. Offensichtlich kurzlebige Konstruktionsweisen, Sollbruchstellen sowie Bauweisen, die eine Reparatur von Geräten verhindern oder erschweren, sollen gesetzlich verboten werden.

Schon durchgesetzt ist die EU-Norm für Ladegeräte: Ab jetzt ist Schluss mit einem Kabelknäuel von Ladegeräten für Smartphones, elektrische Zahnbürsten, Rasierapparate etc.

In den USA wurde 2010 das Dodd-Frank-Gesetz verabschiedet. Es verbietet unter anderem den Kauf von Cobalt und anderen Metallen aus dem Kongo. Damit soll verhindert werden, dass die USA und andere Staaten unfreiwillig Bürgerkriegsmilizen in der Demokratischen Republik Kongo alimentieren, die Zinn, Cobalt oder Tantal mit Kinderarbeit und ohne Arbeitsschutz abbauen. Das Gesetz ist jedoch problematisch, weil es im Kongo weitere Arbeitsplätze vernichtet, wenn keine Rohstoffe mehr exportiert werden dürfen.

Die von Zinnverarbeiter_innen weltweit getragene Tin Supply Chain Initiative (ITSCI) hat es geschafft, 95 % der Zinn-Produktion in Zentralafrika rückverfolgbar zu machen und damit die Milizen weitgehend aus dem Geschäft verdrängt. Die Initiative startete 2011 mit einer Mine, mittlerweile sind mehr als 1’500 Firmen in der Demokratischen Republik Kongo, Burundi, Ruanda und Uganda beteiligt. ITSCI erhielt den edie sustainable award 2017 in der Kategorie «sustainable supply chains». Sollten Donald Trump und die republikanische Partei allerdings, wie im Vorfeld der Wahlen angekündigt, das Dodd-Frank-Gesetz kippen, wäre die weitere Beteiligung an der Initiative für US-Firmen – und das sind Smartphone-Produzenten wie Apple – nicht mehr bindend.

Welche Handlungsoptionen haben Einzelpersonen?
Unter www.buyaware.org ist ersichtlich, welchen Umwelt- und Sozialimpakt ein Smartphone hat. Am besten schneidet das fairphone ab, das gezielt versucht, möglichst umwelt- und sozialverträglich produzierte Komponenten zu verwenden. Abgesehen davon achtet fairphone auf Modularität: Einzelne schadhafte Komponenten sollen möglichst einfach ausgetauscht werden können. Das verlängert die Lebensdauer des Smartphones. Die Realität zeigt, dass auch fairphone an seine Grenzen stösst: Es war selbst den engagierten holländischen Macher_innen nur in einem Fall (Zinn) möglich, die Herkunft der verwendeten Metalle lückenlos nachzuverfolgen. Und die Arbeitsbedingungen am Produktionsort China sind trotz fairphone-Intervention (nicht mehr als 12 Stunden Arbeit pro Tag) kritisch.

Eine der wichtigsten Initiativen gegen verantwortungslose Rohstoff-Produktionsanlagen ist STOP-Lynas. Die Aktivist_innen in Malaysia akzeptieren nicht, dass in Australien abgebaute radioaktiv belastete Seltene Erden nach Malaysia verschifft werden, um dort unter Umgehung von Umwelt- und Sozialstandards weiter verarbeitet zu werden.

Jim Puckett vom Basel Action Network BAN verfolgt illegale Bewegungen von e-Waste innerhalb und ausserhalb der USA.
Dazu werden verschiedene technisch innovative Verfahren eingesetzt, wie das Tracking von Abfall mit Sendern, das Fotografieren von e-Waste-Containern und deren Nummern sowie öffentlichkeitswirksame Interventionen vor Ort. Zum Beispiel wurde gefilmt, wie e-Waste illegal die Grenze von Hongkong nach China passiert.

Nachhaltigkeitsskala der Materialverwendung und Materialerzeugung
Im Rahmen des Times of Waste-Projekts wurde eine umfassende Nachhaltigkeitsskala bezüglich Materialverwendung entwickelt. In die Liste fliessen auch übergeordnete Überlegungen wie Suffizienz mit ein, also eine Selbstbeschränkung der eigenen Bedürfnisse auf ein umweltverträgliches Mass – am umweltschonendsten ist das Produkt/Material, das nicht produziert werden muss:

  1. Suffizienz und Sharingmodelle
  2. Langlebigkeit der Produkte
  3. Verwendung von Secondhand-Produkten
  4. Reparatur defekter Geräte
  5. Re-Use einzelner Teile / Komponentenrecycling (z.B. Magnete in Smartphones)
  6. Verschiedene Niveaus der stofflichen Verwertung (z.B. Metalle einschmelzen)
  7. Energetische Verwertung (v.a. Plastik, Papier)
  8. Geordnete Deponierung (nachverfolgbar, rückholbar für späteres Recycling)
  9. Illegales Deponieren

Bemerkenswerterweise rangiert das klassische Recycling, also die stoffliche Verwertung, erst auf dem sechsten Platz.

Quellen
Die Texte sind aus Beobachtungen und Gesprächen mit Menschen entstanden, die wir während unseren Recherchen in den verschiedenen Institutionen getroffen haben, sowie aus Studien, die sie uns zur Verfügung stellten:

Amt für Umwelt und Energie Basel-Stadt: Martin Lüchinger, Timo Weber
Deponie Elbisgraben: Heinz Schaub, Pablo Schori
DHZ Lufingen: Benjamin Blumer, Marco Weber
Empa St. Gallen: Heinz Böni, Patrick Wäger, Rolf Widmer
Fairphone: Miquel Ballester
Geomikrobiologie Universität Tübingen: Andreas Kappler, Jing He
Helvetrade SA, Lausanne: Cyril Nguyen
Hochschule für Technik Rapperswil: Rainer Bunge
Immark AG: Enrico Leoni
Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften Universität Zürich: Fabienne Barmettler, Carlotta Fabbri
ITRI/ITSCI/PACT: Mickael Daudin, PACT reporting officer
Kehrichtverwertungsanlage Basel: Johannes Allesch, Hanspeter Geugelin, Daniel Baumberger, Max Duss, Markus Hediger, Kurt Kaspar, René Kress, Erik Rummer, Hans Stocker, Kurt Wenk
Heinz Leuenberger, Chief Technical Advisor UNIDO
Novis GmbH Tübingen: Thomas Helle, Benjamin Gann
RS Switzerland: Jérôme Grandgirard, Romina Hofer
Schweizerische Metallhandels AG Deutschland: Stefan Gut
Swico: Jean-Marc Hensch
Umicore Deutschland: Christian Hagelüken, Nadine Hauschildt
verkaufen.ch: Peter Oertlin
Waser AG: Marc Waser
World Resources Forum: Mathias Schluep

Literatur
Bundesamt für Umwelt. Abfall und Recycling 2017. Bern 2018.
Empa et al. Projekt e-Recmet. Rückgewinnung von kritischen Metallen aus Elektronikschrott am Beispiel von Indium und Neodym. Schlussbericht, 2015.
Kooroshy, J., G. Tiess, A. Tukker, and A. Walton (Hg.). Strengthening the European rare earths supply chain: Challenges and policy options. ERECON 2015.
Greenpeace/Elisabeth Jardim. 10 Jahre Smartphone. Greenpeace 2017.
Industrielle Werke Basel iwb. Aus Abfall wird Energie. Umweltbericht KVA Basel 2016.
Mega Trend Newsletter 2016. E-Waste. Mega.online 2016.
Schweizerische Metallhandels AG Deutschland. SMH Kundeninformation.
Isabelle Stengers. In Catastrophic Times. Resisting the Coming Barbarism. Open Humanities Press 2015.
Swico. 134‘000 Tonnen Elektroschrott im 2015 gesammelt. Medienmitteilung 23.5.2016. http://www.swicorecycling.ch/de/aktuell-medien/medienmitteilungen/134000-tonnen-elektroschrott-im-2015-gesammelt/4827
UN University. Global e-Waste Monitor 2017.

Linkliste
Basel Action Network www.ban.org
Stop Lynas Initiative www.stoplynas.org
Fairphone www.fairphone.org
Umwelt- und Sozialimpakt Smartphones www.buyaware.org
Gesetzesinitiative geplante Obsoleszenz www.murks-nein-danke.de
Konzernverantwortungsinitiative www.konzern-initiative.ch
Dodd-Frank Gesetz http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/dodd-frank-act.html
ITRI/ITSCI Zinn Initiative www.itri.co.uk

Impressum

Die Ausstellung ist aus dem Forschungsprojekt Times of Waste entstanden, das von Flavia Caviezel, Mirjam Bürgin, Anselm Caminada, Adrian Demleitner, Marion Mertens, Yvonne Volkart und Sonia Malpeso realisiert, vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert und am Institut Experimentelle Design- und Medienkulturen/Critical Media Lab der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW verortet ist.

In Zusammenarbeit mit dem Gewerbemuseum Winterthur.

Englische Übersetzung: Peter Burleigh

https://times-of-waste.ch
https://objektbiografie.times-of-waste.ch